ISCOPE im Ausland
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ISCOPE baut mit zweitem Standort auf IT-Ressourcen im Baltikum
Eins vorweg, vom niedrigen Lohnniveau in den einschlägigen Ländern, der in den Anfangszeiten die Entwicklung des IT-Nearshorings begründet hat, ist heute nicht mehr viel zu spüren. „Wer sich heute dauerhaft einen Vorteil durch Fachkräfte im benachbarten Ausland verspricht, wird schnell mit der Realität konfrontiert“, unterstreicht der Gründer unserer IT-Agentur, Thorsten Kuno Braun. Als die Kapazitäten unseres Unternehmens vor einigen Jahren ans Limit zu kommen drohte, entschied er sich für einen eigenen und nachhaltigeren Weg. Statt Services und Ressourcen zu buchen, haben wir daraufhin im Baltikum einen eigenen Entwicklungsstandort gegründet. Dabei haben wir nicht nur bei der Wahl einer geeigneten Location enorme Sorgfalt walten lassen. Auch die richtige Strategie war uns und unserer Geschäftsführung enorm wichtig. „Wir wollten nicht einfach eine Kopie oder einen Ableger unseres deutschen Entwicklungsteams schaffen. Stattdessen wollten wir einen exklusiven Raum abseits des Tagesgeschäftes schaffen, der den richtigen Rahmen für konzentriertes, kreatives und modernes Arbeiten gewährleistet – auf einem Niveau, das selbst für die vielumworbenen Entwicklerinnen und Entwickler verlockend ist“, erklärt Kuno.
Kriterien für einen geeigneten Auslandsstandort
Die nötigen Vorbedingungen fanden unsere Verantwortlichen an der baltischen Küste. Die Region, die historisch bedingt einen engen Bezug zum deutschsprachigen Raum hat, ist der Mitteleuropäischen Zeitzone nur eine Stunde voraus. „Ich wollte keine 5 oder 6 Stunden zwischen uns und unserer Dependance haben, weil das Zeitfenster, in dem man zusammenarbeiten kann, dann minimal wäre“, unterstreicht Kuno ein wichtiges Kriterium. Weiterhin war ihm schon früh die physische Erreichbarkeit wichtig. Der neue Standort lässt sich von Deutschland aus per Fähre und Flugzeug zuverlässig ansteuern, auch das Auto wäre im Bedarfsfall eine Option. Schließlich verfügt der gewählte Standort über Hochschulen, die – wenn auch in bescheidenem Umfang – Informatikerinnen und Informatiker zum Abschluss führen. „Bevor wir irgendetwas eröffnet hatten, habe ich diese Hochschulen besucht, habe Termine vereinbart und mit den Professoren gesprochen, Kooperationen gesucht und Themen gesucht. So begann das ganze Spiel“, betont unser Chef. Der übersichtliche Output der Bildungseinrichtungen an IT-Fachleuten klang zunächst eher wie ein Standortnachteil. Doch dieser Sachverhalt relativierte sich nach einem ersten Austausch mit den lokalen Dozenten schnell. Kuno erfuhr dort, dass die Ausbildung vieler Spezialistinnen und Spezialisten sehr häufig außerhalb des staatlichen Bildungssystems über private Bildungsträger erfolgt, die es vor Ort gibt.
Recruitment im Ausland
Nach allerhand Einstellungsgesprächen können wir allerdings die überraschenden Karrieren im Baltikum bestätigen, die mitunter ganz anders als in Deutschland verlaufen. Den baltischen Lebenslauf müsse man schon lesen können, weiß Kuno – und dass nichts darüber geht, die Jobanwärterinnen und -anwärter persönlich kennenzulernen. „Wir hatten Einstellungsgespräche mit Leuten, die Informatik studiert und auch ein oder zwei Jahre Berufspraxis hatten, die aber überhaupt nicht in unser Fähigkeitsprofil passten.“ Andere Job-Interessenten, die auf den ersten Blick weniger vielversprechend erschienen, haben sich hingegen als echte Überraschung entpuppt: „Wir hatten Vorstellungsgespräche mit Leuten, die vorher noch ein Jahr in London Pakete gepackt haben oder als Taxifahrer oder Rechtsanwalt unterwegs waren und dann in den IT-Bereich kamen – und das sind heute überragende Mitarbeiter.“
Mit Fördergeldern hat die Verwaltung „unserer“ Ostsee-Küstenstadt sogar einen privaten Investor angelockt, der in einem alten Industriegebiet eine IT- und gründerfreundliche Büro-Infrastruktur errichtete. Auf dem Gelände erinnert heute nur noch ein rund 100 Jahre alter Klinkerschlot an die rustikale Vergangenheit des Ortes und den erfolgreichen regionalen Strukturwandel. Jüngst wurde das dritte der vier vorgesehenen Gebäude fertiggestellt. ISCOPE, der IT-Mittelständler aus dem Nordwesten Deutschlands, gehört von Anfang an als solider Arbeitgeber mit zum Konglomerat der internationalen Mietergemeinschaft. So haben wir mit dem Schritt auf das Baltikum die Weichen für unsere dauerhafte Internationalisierung gestellt.
Hürden und die Pandemie
Allerdings lag über den Anfängen – wie zugleich über dem gesamten Rest der Welt – zunächst ein Schatten. Wir hatten bereits den Standort ausgesucht und den ganzen Aufwand betrieben – und dann kam Corona. Das war ein Riesenproblem. Schließlich waren alle Bindungsmechanismen, die man sich überlegt hatte, um ein Team an zwei Standorten zusammenzuführen, plötzlich auf ein absolutes Minimum geschrumpft. Nach Corona ist aber genau das herausgekommen, was wir uns immer erhofft haben, nämlich eine wunderbare Möglichkeit, mit neuen Kollegen in der neuen Firma in einer neuen Struktur mit vielen neuen Einflüssen zu arbeiten.
Bei aller Euphorie galt es aber gerade anfangs, unser Kernteam am Hauptsitz in Osnabrück im Blick zu behalten, schließlich fand das Wachstum von ISCOPE eine Zeit lang nur im Baltikum statt. Das hat in der Heimat Ängste laut werden lassen – um die Lokalisierung des Tech Leads, die Qualität der zugeteilten Aufgaben und sogar um den Arbeitsplatz. Wir mussten also Ängste abbauen – und uns gegenseitig kennenlernen. Das hat inzwischen geklappt.
Die deutsche Seite ist mehrmals im Jahr im Baltikum unterwegs, und umgekehrt besuchen Mitarbeiter der baltischen Crew mehrmals im Jahr unser Stammhaus in Osnabrück. Viel zum Zusammenwachsen der beiden Teams hat auch die Umstellung der Arbeitssprache von Deutsch auf Englisch beigetragen. Jegliche Dokumentationsarbeiten, jeder Speiseplan zur Bestellung des Mittagessens, alle E-Mail-Signaturen und auch das gesamte ISCOPE-Intranet laufen jetzt international einheitlich auf Englisch. Ohnedem geht es nicht. Und schließlich muss der jeweilige Team- und Tech Lead ja nicht zwangsläufig immer in Deutschland liegen, der darf auch fair verteilt werden.
Status Quo
Zum Jahresbeginn 2023 arbeiten in dem IT-Zentrum am Stadtrand der traditionsreichen Hafenstadt acht festangestellte programmier- und konzeptionsstarke Software-Spezialisten für unser Osnabrücker Unternehmen. Regelmäßig erhalten die Kollegen dort Besuch aus Deutschland. Wenn Kuno seine erste Auslandsniederlassung betritt, ist ihm der Gründerstolz auch nach drei Jahre noch anzusehen. Eine Urkunde hängt an der Wand, von ihr prangen die Worte „Strongest in Lithuania“. Das sagt eine der wichtigsten Auskunfteien Litauens über ISCOPE, demnach zählt unser Unternehmen zu den (zahlungs-)kräftigsten Firmen in Litauen. Neben dem Dokument scheint das rückwärtig beleuchtete markante Gesicht unseres ISCOPE-Logos von der blassgrau getünchten Wand. Ansonsten ist das Interieur so ruhig und aufgeräumt, als hätte sich das Innendesign unser junges neues Team zum Vorbild genommen. Das ist, begleitet vom Klappern auf den Profitastaturen, ganz in den Code auf den Monitoren vertieft.
Unsere Kollegen im Baltikum erledigen nicht nur „Hardcore-Applikationsentwicklung“, wie Kuno, der selbst umfassende Programmiererfahrung mitbringt, nennt, sondern auch das ganz alltägliche Agenturgeschäft. Das Team arbeitet mit Plattformen wie Typo 3, Shopware und auch Wordpress. Neben den vermeintlich einfacheren Technologien haben wir aber auch unseren grundsätzlichen Tech Stack mit Technologien wie React Meteor oder einer Mongo DB ins Baltikum übertragen. Die Skill-Entwicklung begann stufenweise. Im ersten Schritt hat der baltische Standort vornehmlich auf Bestellung gearbeitet; für konkrete Projekte aus dem Inland haben wir das Personal mit den erforderlichen Technologiekenntnissen rekrutiert. „Es war ja nicht so, dass wir gesagt haben, wir schmeißen jetzt mal eine Million auf den Markt und bauen was auf, sondern das Ganze musste organisch wachsen. In der ersten Phase haben wir uns deswegen Technologien auf Kundenwusch im Bereich React ausgesucht, hauptsächlich Frontend-Programmierung mit Meteor, das ist eine Javascript-Plattform“, blickt Kuno auf die Anfangszeit zurück. So konnte ISCOPE Kunden für die Applikationsentwicklungen im Bereich des Intranets gewonnen. „Sehr moderne Technologie, hat wunderbar funktioniert“, resümiert Kuno zufrieden. Allerdings haben in dieser Start-up-Phase beide Standorte weitgehend unabhängig voneinander gearbeitet. Inzwischen sind die aufgabentechnische Durchmischung der Teams und die Teamstrukturen so ausgereift, dass wir bei ISCOPE tatsächlich grenzübergreifend agieren.
Fazit
Das Fazit von unserem Gründer und Geschäftsführer fällt eindeutig aus. „Ich glaube tatsächlich, dass wir mit der Entscheidung, hier vor Ort eine Dependance aufzubauen, eine Möglichkeit geschaffen haben, flexibel auf die Bedürfnisse unserer Kunden zu reagieren. Was den Fachkräftemangel angeht, kann ich eigentlich nur jedem empfehlen – sofern er die Möglichkeiten dazu hat und auch die Fantasie besitzt – sich dezentral aufzustellen. Das erfordert etwas mehr Aufwand, mehr Kommunikation. Aber es ist auf jeden Fall ein überragender Vorteil, dass wir, wann immer wir Probleme haben, neue Mitarbeiter zu gewinnen, dies im Baltikum machen können. Wenn man diese Dinge beachtet, glaube ich, gibt es für uns im IT-Bereich keine Alternative – wenn man wachsen möchte.“